Dass der Schicksalstag der deutschen Geschichte auch ungeheure Schattenseiten kennt, scheint die öffentliche Wahrnehmung momentan gedankenlos zu ignorieren, wenn sie jene Schattenseiten nicht schon längst vergessen hat(womit gemeint sein soll, dass sie die Bedeutung dieser Schattenseiten nicht mehr kennt, sich der Faktizität jedoch bewusst ist).
Ich kann und will es den Deutschen nicht absprechen, dass sie sich momentan zurecht sehr ausgiebig mit dem Mauerfall-Jubiläum beschäftigen, sei es in den Printmedien oder im TV, und auch ich hege ein sehr großes Interesse an diesem Ereignis, denn es ist auch ein Teil der Geschichte meiner Familie und somit ein Grundstein meines persönlichen Schicksals. Ein Jahr nach dem Mauerfall wurde ich geboren, und auch ich sollte dankbar sein, dass es vor 20 Jahren tausende mutige Menschen gab, die diese Revolution ermöglichten und mir damit womöglich eine Jugend in einer Diktatur ersparten. Schon allein aus einem persönlichen politischen Ideal heraus muss ich mit Begeisterung auf das Jahr 1989 blicken.
Doch vor allem ist der 9.November für mich noch immer der 9.November des Jahres 1938, der Tag, an dem die Deutschen zu Augenzeugen des Vernichtungswillen der Nazis und somit zu Mitwissern(für mich damit auch zu Mittätern) wurden. Dieser Tag wirkt bis heute nach und stellt die Ereignisse des Jahres 1989 in ein historisch äußerst pikantes Licht. Im Prinzip legte das deutsche Volk an diesem Tag einen der Grundpfeiler für die spätere Teilung und ließ die Wiedervereinigung in nicht wenigen Augen ungerecht erscheinen.
Der 9.November 1938 scheint mir ein Tag zu sein, den die Deutschen dieses Jahr verschlafen werden….Sie werden feiern und die jüdischen Wunden sind noch immer nicht vollständig verheilt – ganz egal wie sehr man es auch immer beschwören will. Eine deutsch-jüdische Normalität(was auch immer das sein soll) wie es sie vor dem Holocaust gab, kann und wird es nie wieder geben und daher frage ich mich, warum man sich auf eben ein solches Ziel konzentriert, wenn es doch ganz und gar absurd ist. Was uns – Juden wie Deutschen gleichermaßen – bleibt, ist die Trauer, Aufarbeitung und die Motivation, Neues zu schaffen. Denn das Alte wurde unwiderruflich vertrieben und ermordet
Doch wie kann man von einer Blüte jüdischen Lebens und wahrhaftiger Reue sprechen, wenn einem die Katastrophe der Vergangenheit nicht bewusst ist?
Der Holocaust als Spielwiese
„Die Jugendlichen wissen nichts über die DDR“ heißt es nicht selten…Und wie sieht es mit der NS-Zeit aus?