Deutschland 2012:
Ein medialer Mob formiert sich gegen die jüdische Beschneidung, Rabbiner werden denunziert, angezeigt und auf offener Straße verprügelt. Landesverfassungsschutz Mecklenburg-Vorpommern gibt die Empfehlung, einen Vortragsabend zum Thema „Israelsolidarität“ in den Räumlichkeiten der Universität Rostock zu verbieten, da möglicherweise von einer verfassungsfeindlichen Ausrichtung auszugehen sei. Am 1. September 2012, den Jahrestag des deutschen Angriffkrieges auf Polen, unterbinden Polizisten das Zeigen israelischer Flaggen und den Sprechchor „Kein Frieden mit Antisemiten!“.
Diese Auflistung mag konstruiert und dramatisiert erscheinen, doch alle diese Fälle sind für jeden zugänglich – eine Debatte bleibt aus, denn es kann nicht sein, was nicht sein darf.

Kein Frieden mit Antisemiten? Manche Kreise, die nach wie vor meinen, ihre wohlwollenden Appelle an diktatorische Regime, könnten diese in irgendeiner Form zur Räson bringen, können diesem Satz offenbar nur wenig Sympathie entgegenbringen. „Eine Welt des Friedens“ – egal mit wem, egal zu welchem Preis.
Anlässlich des Weltfriedenstages veranstalte das Rostocker Friedensbündnis am 1. September 2012 auf dem Universitätsplatz in Rostock ab 10 Uhr einen Infostand, an welchem auch allerlei Parteien und Organisationen beteiligt waren(u.a. MLPD, APD, Die Linke etc.). Eine leicht verstaubte Linke also wie gewohnt im Kampf gegen vermeintlich „westlich-imperialistische Aggressionen“, weshalb es neben der legitimen Forderung, die Bundeswehr habe in Schulen nichts zu suchen, auch üblich plakativ hieß:

„Hände weg von Syrien und Iran!“

In diesem Atemzug wurde zumindest in schriftlicher Form auch darauf verwiesen, dass man von U-Booten für Israel ebenso wenig hält wie von zahlreichen anderen, in ihrer Fülle unübersichtlichen, ausgemachten Skandalen.
Parallel zu jenem Infostand verteilten junge Antifaschisten und pro-israelische wie jüdische Aktivisten aus Rostock, welche vor allem einer lokalen Antifa-Gruppe und der DIG-Hochschulgruppe zuzurechnen waren, Flyer, die über die problematische Positionierung des Friedensbündnisses hinsichtlich Syriens und des Iran aufklären sollten und zur Solidarität mit Israel aufriefen.
Was die Kontroverse rund um den „Arabischen Frühling“ und somit auch die syrische Opposition angeht, lässt sich die Positionierung des Friedensbündnisses zumindest in bestimmten Punkten nachvollziehen, weshalb auf dem verteilten Flugblatt vor allem auf den Iran und die sog. „Lehre aus der Geschichte“ Bezug genommen wurde, welche für die Aktivisten des Friedensbündnisses und andere Verbände „Nie wieder Krieg!“ lautet, hingegen die israelsolidarischen und jüdischen Aktivisten darauf verwiesen, dass es nicht deutsche Pazifisten waren, welche die Konzentrationslager befreiten, sondern dass das militärische Einschreiten der Anti-Hitler-Koalition nötig war, um große Teile Europas von der Barbarei zu befreien.

Gegen 16 Uhr fanden sich zusätzlich einige Aktivisten am Ort des Geschehens ein, welche ihren Protest gegen ein Regime zum Ausdruck bringen wollten, das Homosexuelle öffentlich hinrichtet und dem jüdischen Staat mit der Vernichtung droht. Hinsichtlich der existentiellen Bedrohung eines Staates, der nicht nur, aber doch in entscheidendem Maße als Reaktion auf den global grassierenden Antisemitismus gegründet wurde, bleibt ein zusätzlicher bitterer Beigeschmack, dass manche Kreise sich ausgerechnet am 1. September mit dem iranischen Mullah-Regime solidarisierten. Schließlich ist der Tod bekanntlich ein Meister, der aus Deutschland kommt, und er war nicht nur ein Meister des Todes, sondern auch des Antisemitismus.

Zu Beginn der Kundgebung formierten diese sich die erwähnten Demonstranten mit einigem Abstand vor dem Infostand des Friedensbündnisses, welches nun seinen offiziellen Aufruf verlas. Als nun auch verbal die Forderung ertönte, man solle „die Finger“ von Syrien und Iran lassen und diffuse verschwörungstheoretische Aussagen getätigt wurden, zeigten die Anwesenden Aktivisten mehrere Israelfahnen, zwei US-Fahnen und eine Fahne der Antihomophoben Aktion.
Dies führte unvermittelt zu lautstarken antisemitischen Beschimpfungen und einem versuchten Übergriff durch Passanten. Zeitgleich kam es zu verbalen Auseinandersetzungen und Diskussionen mit Anhängern des Friedensbündnisses. War manch ein Friedensaktivist noch dem Missverständnis aufgesessen, der Antisemitismusvorwurf gelte dem Friedensbündnis, wollten andere ganz vehement Zeugnis von einer angeblich zionistischen Medienkontrolle ablegen.
In Reaktion auf die antisemitischen Anfeindungen und die Unnachgiebigkeit des Friedensbündnisses, welches sich nicht etwa zu dem Antisemitismus der Straße äußerte, sondern unbeeindruckt an seinem Aufruf festhielt, wurden nun auch vereinzelt kurze Sprechchöre laut; bspw. „Kein Frieden mit Antisemiten!“
Hierauf rief ein Ordner des Infostandes die Polizei herbei, welche in den Reihen der Fahnenträger nach Verantwortlichen für den unangemeldeten Protest suchte. Um weiteren Schwierigkeiten mit den offenbar aggressiv gestimmten Polizisten umgehen, erklärte sich die Gruppe schnell bereit, die Fahnen einzupacken und den Ort des Geschehens zu verlassen. Dennoch wurde ein Demonstrant mit einem unverhältnismäßig beherztem Einsatz festgesetzt, während zusätzliche Polizeikräfte auf dem Weg waren.

Die Positionierung des Friedensbündnisses mag vielleicht zu Kopfschütteln verleiten, doch erstaunlich kann sie angesichts der Biografie dieser Gruppierung nicht sein. In Erinnerung an den Angriffskrieg Deutschlands gegen Polen vor einen „westlichen Angriff“ auf barbarische Regime zu warnen, ist nur Teil einer Kette politischer Blindläufer. Für weitaus mehr Kopfschütteln dürfte letztlich die Tatsache sorgen, dass am 1. September das Zeigen israelischer Flaggen und der Protest gegen antisemitische Diktatoren und ebenso vulgär antisemitische Passanten auf Geheiß von „aus der Geschichte geläuterten“ Aktivisten von deutschen Polizisten unterbunden wurde.