Falsche Freunde – Bahamas und die Minderheiten

Anstatt den Druck der Mehrheitsgesellschaft zu kritisieren, die das oft postulierte „Multikulti“ nur verwirklich sieht, wenn sich jeglicher Pluralismus assimiliert; statt aus Empathie heraus für den sog. „jüdischen Schutzraum“ zu argumentieren und statt offensiv die antisemitische Meinungswelle des medialen Mobs zu verurteilen, fällt der BAHAMAS-Redaktion nur folgender Satz ein. Ganz Im Sinne der Täter-Opfer-Umkehr.

„Seither diskutiert ganz Deutschland über die Juden. Und das nicht, weil unverbesserliche Antisemiten die Stimmung anheizen, sondern weil, beginnend mit der des Vorsitzenden des Zentralrats der Juden, eine öffentliche Erklärung jüdischer Organisationen oder prominenter jüdischer Einzelpersonen die andere jagt.“

http://www.redaktion-bahamas.org/aktuell/20120927berlin.html

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Israel-Fahnen und Friedensaktivisten

Deutschland 2012:
Ein medialer Mob formiert sich gegen die jüdische Beschneidung, Rabbiner werden denunziert, angezeigt und auf offener Straße verprügelt. Landesverfassungsschutz Mecklenburg-Vorpommern gibt die Empfehlung, einen Vortragsabend zum Thema „Israelsolidarität“ in den Räumlichkeiten der Universität Rostock zu verbieten, da möglicherweise von einer verfassungsfeindlichen Ausrichtung auszugehen sei. Am 1. September 2012, den Jahrestag des deutschen Angriffkrieges auf Polen, unterbinden Polizisten das Zeigen israelischer Flaggen und den Sprechchor „Kein Frieden mit Antisemiten!“.
Diese Auflistung mag konstruiert und dramatisiert erscheinen, doch alle diese Fälle sind für jeden zugänglich – eine Debatte bleibt aus, denn es kann nicht sein, was nicht sein darf.

Kein Frieden mit Antisemiten? Manche Kreise, die nach wie vor meinen, ihre wohlwollenden Appelle an diktatorische Regime, könnten diese in irgendeiner Form zur Räson bringen, können diesem Satz offenbar nur wenig Sympathie entgegenbringen. „Eine Welt des Friedens“ – egal mit wem, egal zu welchem Preis.
Anlässlich des Weltfriedenstages veranstalte das Rostocker Friedensbündnis am 1. September 2012 auf dem Universitätsplatz in Rostock ab 10 Uhr einen Infostand, an welchem auch allerlei Parteien und Organisationen beteiligt waren(u.a. MLPD, APD, Die Linke etc.). Eine leicht verstaubte Linke also wie gewohnt im Kampf gegen vermeintlich „westlich-imperialistische Aggressionen“, weshalb es neben der legitimen Forderung, die Bundeswehr habe in Schulen nichts zu suchen, auch üblich plakativ hieß:

„Hände weg von Syrien und Iran!“
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Innenblick: Nieszery der Szenekenner

Als am 24.7.2012 von einer neuen Duisburger Studie über den Kampf gegen den Rechtsextremismus in Mecklenburg-Vorpommern berichtet wurde und diese dem Vorgehen der Landesregierung und der demokratischen Parteien im Land ein Armutszeugnis austellte, war es wieder kurz im Raum: Das Thema Rechtsextremismus.

Und wie auch tatsächlich zu erwarten und vollkommen berechtigt, meldet sich Dr. Norbert Nieszery, Fraktionsvorsitzender der SPD, zu Wort, schließlich sieht er einen Schwerpunkt seiner politischen Arbeit bei der notwendigen Bekämpfung des Rechtsradikalismus.
In der Vergangenheit jedoch verhielt sich Nieszery diesbezüglich mehr als kontraproduktiv, und schlimmer noch: beschwichtigend.
So meint er eine Revision des deutschen Geschichtsbildes für dringend erforderlich, wobei ihm insbesondere eine Morallektüre für die Anti-Hitler-Koalition vorschwebte, hielt es daher wohl auch für die erste Bürgerpflicht, das antisemitische Grass-Gedicht zu loben und von „Antisemitismuskeulen“ und deutschem „Schuldkult“ zu schwadronieren. Weiterlesen

Leitkultur Kindeswohl

Gilt es dem Volkszorn und der deutschen Expertise-Bildung auf den Zahn zu fühlen, ist ein Blick in die Kommentarspalten großer Onlineangebote unumgänglich. Das Ergebnis eines solchen kleinen Einblicks ist keineswegs überraschend. Gab es bislang zweifellos 82 Mio. Nahost-Experten, formieren diese sich auf einmal als Kenner hiesiger Beschneidungspraktiken.
Ihre Argumente sind gehässig wie falsch: Der Vergleich zur Beschneidung von Mädchen in Afrika wird gesucht und letztlich scheint sich jeder einig in dem Schluss, dass sich jüdische und muslimische Männer verstümmelt fühlen sollten, und somit fixiert sich die ganze öffentliche Besorgnis um die Kinder religiöser Minderheiten im Land auf deren Genitalien, erschreckend deckungsgleich mit vulgär-sexueller Paranoia eliminatorischer Antisemiten.
Tatsächlich haben jene Kommentarspalten die Hürden zur hässlichsten Form der Xenophobie und des Antisemitismus schon längst genommen. Aus säkularer und keineswegs jüdischer oder muslimischer Sicht agitierend, brechen des Volkszorns Dämme als die Europäische Rabbinerkonferenz vollkommen richtig verlautbaren lässt, dass es sich mit einem Beschneidungsverbot um die größte Gefahr für das europäische Judentum seit dem Holocaust handele. Weiterlesen

Norddeutsche Sozialdemokraten

Möchte man Kerngedanken (norddeutscher) Sozialdemokratie zusammenfassen, bieten sich gegenwärtig ohne jegliches Zögern einige Schlagworte an: Elitarismus, Sozialchauvinismus, Kulturabbau und spätestens mit Sigmar und Günter wieder der Antisemitismus.
Wenn das Wörtchen „wieder“ für Verwirrung oder Verwunderung sorgen sollte, sei an dieser Stelle an einen eher unrühmlichen Umgang der frühen Sozialdemokratie mit antisemitischer Agitation erinnert.
Sprach Bebel vom „Sozialismus der dummen Kerls“ so erkannte er, dass der Antisemitismus in einem sozioökonomischen Kontext eine Personalisierung sozialer Konfliktfelder darstellte, derer jedoch, so zeigt es der Blick auf die Sozialdemokratie des vergangenen Jahrhunderts, kaum Tatkraft entgegenzusetzen geboten sei, da der Pöbel sein Heil letztlich doch in der Sozialdemokratie finden würde.
Dass dem sozialdemokratischen Denker Eduard Bernstein 1919 in einer parteiinternen Auseinandersetzung talmudischer Duktus vorgeworfen wurde, mag folglich kaum verwundern.

Verwunderung stiften jedoch norddeutsche Possen, deren Akteure meinen, dem Rechtsextremismus ließe sich am ehesten begegnen, indem man entsprechende Themen und Rhetorik einfach selbst besetzt.
Zu kulturellem Kahlschlag, den ein Bildungsminister veranlasst, welcher zugleich dubiose Publikationen in den Umlauf bringt, die u.a. einen Rostocker Professor hofieren, der in seinen Hörsäalen zuweilen zum europäischen Freiheitskampf gegen die „islamische Barbarei“ ermutigt, gesellt sich eine sozialdemokratische Rhetorik das Tabubruchs.
Jene Landes-SPD, die mit dem Portal „Endstation Rechts“ wirksam gegen rechte Untriebe vorzugehen meint, verlautbart in Form ihres Fraktionsvorsitzenden Dr. Nieszery zugleich, dass der alte Landser Grass mit seinem Pamphlet „mahnend“ gegen den „Zeitgeist“ rebellieren würde. Mehr noch sprach Nieszery von deutschem „Schuldkult“, dessen korrigierte Weichspülfassung „Schuldstolz“ weniger brandstiftend wirken dürfte. Den zudem notwendigen Verweis auf den allgegenwärtigen Antisemitismus, auch in der mecklenburgischen und vorpommerschen Gesellschaft, mag Nieszery nur als „intellektuell erbärmlich“ brandmarken.
Hatte Henryk M. Broder doch recht, als er 2008 im Innenausschuss postulierte, dass die Absurdität unserer Zeit ein Antisemitismus ohne Antisemiten sei?
Was also treibt Herrn Dr. Norbert Nieszery, welcher an anderer Stelle bereits in Bezug auf Dresden dem deutschen Opfermythos das Wort redete, wenn er einer DIG-Hochschulgruppe aufgrund angeblicher persönlicher Voreingenommenheit die sachliche Auseinandersetzung zum Thema Israel abspricht und sie wieder aus dem Schweriner Schloss einlädt?

Es sei festgehalten, dass eine Hochschulgruppe der Deutsch-Israelischen Gesellschaft die „Abstraktionsfähigkeit“ für einen Gedankenaustausch abgesprochen, Günter Grass jedoch zugleich als ein würdiger Redner für die Verleihung eines Preises für den Einsatz gegen Rechtsextremismus gehalten wird.

Mecklenburgischer Gedenkflop

Man kann es sich leicht machen und die berüchtigte „Lehre aus der deutschen Geschichte“ auf die einfache und leicht vertretbare Formel „Nie wieder Krieg!“ reduzieren. Man kann jedoch auch Mut zu unbequemen Eingeständnissen wagen und hinterfragen, ob sich der berühmte Schwur von Buchenwald, auf welchen sich die Gedenkpazifisten berufen, wirklich nur in solch einem radikalpazifistischen Kontext gedacht werden kann.
Rund um diese Frage ist in den letzten Tagen in einer norddeutsche Hansestadt eine wilde Debatte entfacht – jedenfalls für mecklenburgische Verhältnisse. Weiterlesen

Eine Frankfurter Posse

Zuweilen gehört zum journalisitischen Handwerk auch die Kunst des Erfindens von Zusammenhängen, welche jedoch auch durch stilistisches Können und beharrliches Wiederholen nicht richtiger werden.

Im Grunde genommen spricht es nur für die FAZ, dass einer ihrer Redakteure anscheinend den Anspruch an sich stellt, in einem neunzeiligen Absatz den konfliktgeladenen Charakter der von kultureller Diversität geprägten israelischen Gesellschaft darzustellen und dies auch noch mit einer Darstellung religionsgesetzlicher Aspekte des Judentums verknüpft, wobei eine Kurzfassung der israelischen Gründungsgeschichte den inhaltlichen Rahmen bildet, der vor allem ein Kernanliegen von Wolfgang Günter Lerch zum Ausdruck bringen soll: Es geht um das Wesen des jüdischen Staates, eines demokratischen Staates.

Bedenklich ist nur, dass Rahmen, Motiv und Farbgebung nicht recht miteinander harmonieren und Herr Lerch Zusammenhänge konstruiert, die nicht vorhanden sind und von gefährlichem Halbwissen zeugen. Weiterlesen

Was ist da los im Bus?

Die Minderheit einer Minderheit, welche wiederum selbst nur Teil einer anderen Minderheit ist, versetzt seit einigen Tagen die Medienlandschaft in helle Aufregung und es scheint keine deutsche Tageszeitung zu geben, die dieser Tage noch kein Bilder schwarz gekleideter Juden mit Schläfenlocken abgelichtet hätte.
Mit Überschriften wie bspw. „Zustände wie in Teheran“(Berliner Zeitung, 3.Januar) wird über Massendemonstrationen und religiöse Fanatiker, die eine Verdrängung der Frau aus dem öffentlichen Leben betreiben, berichtet. Natürlich muss man diese Personen mit Broders „Die Irren von Zion“ betiteln, doch darf eine reflektierte und wahrheitsgemäße Berichterstattung nicht vernachlässigt werden.
Keineswegs stet die israelische Gesellschaft vor dem Zerfall und an ein jüdisches Teheran ist bei weitem nicht zu denken.
An dieser Stelle nun ein Versuch der Rekonstruktion dessen, woran sich die israelische Gesellschaft reibt und was zu einer Bilder- und Artikelflut in deutschsprachigen Medien geführt hat. Weiterlesen

Engagement für wen?

Mehrfach forderte Dieter Graumann während des diesjährigen Jugendkongresses in Weimar mehr Engagement junger jüdischer Gemeindemitglieder für Israel.
Als Wunsch wollte er diesen Aufruf verstanden wissen, doch traten während einer offenen Debatte im Rahmen der Zentralratstagung doch recht große Spannungsfelder zwischen den Generationen zu Tage, die deutlich machten, dass hinter Graumanns geäußertem Wunsch viel mehr ein (verzweifelter) Appell steckte. Insbesondere die Teilnehmer des Jugendkongresses suchten nach einer Möglichkeit der Diskussion darüber, wie sich moderne jüdische Identität in Deutschland definieren lasse. Es trafen zwei Generationen aufeinander, die ihr Judentum in unterschiedlichen Kontexen erleben und definieren dürfen bzw. durften. Weiterlesen