Thilo Sarrazin ist ein Rassist! Gibt es daran wirklich irgendeinen Zweifel? Schauen wir uns ein paar Zitate an:
– Alle Juden teilen ein bestimmtes Gen, Basken haben bestimmte Gene, die sie von anderen unterscheiden“
– Die Türken erobern Deutschland genauso, wie die Kosovaren das Kosovo erobert haben: durch eine höhere Geburtenrate. Das würde mir gefallen, wenn es osteuropäische Juden wären mit einem um 15 Prozent höheren IQ als dem der deutschen Bevölkerung.
Moment, wie kann Rassist sein, wer sich über Juden nur überaus positiv zu äußern weiß? Ist dies möglich, wenn uns unsere Erfahrung doch sagt, dass Antisemitismus ein fundamentaler Bestandteil germanischer Rassentheorien ist?
Nu, Rassismus definiert sich allein durch die Tatsache, dass man die sozialen und intellektuellen Fähigkeiten eines Menschen bzw. einer Gruppe von seiner/ihrer ethnischen Herkunft abhängig macht, unabhängig davon, ob das Urteil positiv ausfällt oder doch eher wenig schmeichelhaft ist.
Ist Thilo Sarrazin also ein Rassist mit positiven Absichten, der Juden endlich die Anerkennung zollt, die sie bei ihrem Anteil an den Nobelpreisträgern schon lange verdient haben. Möglich! Doch unsinnig und faktisch falsch bleiben seine Aussagen trotzdem.
Die sozialen und kulturellen Leistungen und Beiträge einer Gemeinschaft entspringen nicht ihrer genetischen Veranlagung, sondern sind ein Resultat der Wechselbeziehung im Spannungsverhältnis zwischen jener Minderheit und der Mehrheitsgesellschaft. Im konkreten Falle der europäischen Juden bedeutete dies einerseits, dass sie teilweise Monopolstellungen in bestimmten Wirtschaftsbereichen aufbauen konnte(„der Diamant“ in Antwerpen ist von Juden erschaffen), da ihnen der Zugang zu vielen andere Berufsfelder verschlossen war bzw. nur sie bestimmte Tätigkeiten wahrnehmen konnten(Zins-Geschäft usw), aber auch andererseits eine Fixierung auf geistige Tätigkeiten innerhalb einer in sich geschlossenen Gruppe. Vielleicht erklären auch die Worte von Helene Reich, die sie an ihren Sohn Marcel richtete jenes Phänomen(welches trotzdem eindeutig überbewertet wird):
„Wir sind Juden, Marcel. Du musst der Beste sein!“
Lieber Thilo, nichts da mit dem Juden-Gen. Mal ganz davon abgesehen, dass die Vermengung der Begriffe „Volk“ und „Rasse“ und der damit verbundenen Kriterien und Folgen äußerst problematisch ist und fast schon eine gute deutsche Tradition zu haben scheint.
Selbstverständlich haben verschiedene Völker unterschiedliche kulturelle Eigenarten. Doch diese werden einem Baby nicht mit in die Wiege gelegt, so wie sie bei der Gemeinschaft insgesamt auch nicht schon immer vorhanden waren, sondern im Zuge historischer Erfahrungen und intellektueller Entwicklungen entstanden sind.
Aufgrund gemeinsamer Erfahrungen etc. gibt es freilich Kulturen, die untereinander mehr Gemeinsamkeiten als mit manch anderen aufweisen und daher besser miteinander harmonieren, jedoch erlaubt dies kein Urteil über die Wertigkeit jener Kulturen.
Darüber, dass sie einen biologischen Ursprung haben könnten, sollte man gar nicht diskutieren. Solch ein Unsinn kann durch nichts gestützt werden.
Dass ausgerechnet eine türkische Soziologin(Necla Kelek) an Sarrazins Seite springt und ihm vom Vorwurf des Rassismus freispricht, hilft da freilich wenig, denn er spricht eben nicht von der Religionsgemeinschaft der Muslime, sondern ganz konkret von Türken und Arabern, deren Kultur nur einen Teil seines Feindbildes darzustellen scheint.
Und ob allein schon der Ton von Sarrazins Äußerungen es überhaupt ermöglicht, dass seine Positionen einen wichtigen Teil zu einer Integrationsdebatte darstellen könnten, ist auch mehr als fraglich.